Die Grundlage für dieses Übungsfach ist der A.T.C.C.-Ansatz. Dieser ermöglicht einerseits einen Zugang, um Konflikten besser und konstruktiver begegnen zu können, andererseits bietet er eine Möglichkeit zu überprüfen, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen.

Die Grundhaltung des Ansatzes ist ein authentischer Zugang zu sich selbst, dem Gegenüber und der Welt. Dafür braucht es eine Achtsamkeit, die es ermöglicht auch schwierige Themen wahrzunehmen.

Ich betone dies, da mit dem Begriff der Achtsamkeit momentan eine „positive Sicht“ auf die Welt vermittelt wird. Meist wird hier dann die „Achtsamkeitsbrille“ aufgesetzt und eine nette Harmonie erzeugt. Wenn Menschen, weil sie aus Kriegsgebieten geflohen sind, hier misshandelt oder ausgegrenzt werden, nehmen wir dies wahr.  Damit auch den Schmerz und die Begrenztheit in unserem Handeln. Was uns oft in dieser Achtsamkeit fehlt, ist der Blick, das diese Menschen mit ihrem Leid keine Heiligen sind, die nie etwas unrechtes tun. Achtsamkeit umfasst das Gesamte.

Unser Leben spielt sich auf den unterschiedlichsten Ebenen ab. Diese Ebenen im Blick zu behalten, ist oftmals recht schwierig. In dem A.T.C.C.-Ansatz gibt es den Versuch, diese Ebenen etwas leichter zu verstehen. Sie sind mit sechs Überbegriffen beschrieben (Kultur, Rituale, Struktur, Regel/Recht, Person und Werte). Diese sechs Ebenen bieten einerseits Orientierungen für die Bearbeitung von Problemen oder Konflikten, andererseits stellen sie eine Möglichkeit dar, Zusammenleben konstruktiv zu gestalten.

Wie die Grafik zeigt, stellt der ATCC-Ansatz ein systemisches Modell dar. Die Ebenen sind voneinander abhängig und beziehen sich immer wieder aufeinander. Es gibt keinen Weg, den nur ich alleine gehen kann. Ich bin immer wieder eingebunden in Strukturen, Regeln, der Kultur, den Werten oder Ritualen. “Im Tod bin ich alleine”, könnte nun eine Leser*in einwenden. Der Sterbeprozess und die darauf folgenden Rituale sind jedoch eingebunden in das große Ganze. 

Ich möchte hier die Schlüsselbegriffe kurz erläutern und mit den Inhalten und Methoden von Weltblick in Beziehung setzen. 

Person: 

Wir sind hier als Einzelne auf dieser Welt. Wir sind Wesen, die Bedürfnisse haben und diese für ein gesundes Leben auch befriedigen müssen. Die Bedürfnisse, von denen wir ausgehen, sind mehr im sozialen Bereich angesiedelt. So gehen wir davon aus, dass wir Menschen es brauchen geliebt zu werden. Wir brauchen Anerkennung für unser Handeln. Wir brauchen Sicherheit und Orientierung. Wir streben nach Autonomie und Sinn.

Diesen sechs Bedürfnissen stehen Ängste zur Seite. Angst entsteht, wenn ein Bedürfnis gefährdet ist. So empfinden wir die Angst vor Ablehnung oder Zurückweisung, wenn wir nicht geliebt werden, oder die Angst vor Urteil und Bewertung, wenn wir keine Anerkennung erhalten. Wir erleben die Angst vor Verletzung, wenn der sichere Rahmen nicht gehalten wird. Die Angst vor dem Fremden oder Unbekannten tritt ein, wenn wir die Orientierung verlieren. Die Angst vor Zwang entsteht, wenn wir uns nicht mehr autonom entfalten können. Mit Bedeutungslosigkeit ist eine wichtige Angst verknüpft, die mit dem Sinn unseres Handelns zu tun hat. Angst ist eine wichtige Emotion, die uns neben vielen anderen zur Verfügung steht. Sie ist nicht schlecht, sondern ein wichtiger Schutz. Negieren wir diesen Schutz, können wir Schaden nehmen. Zum einen, weil wir die Gefahr nicht wahrnehmen, zum anderen durch den Schutz selbst. Man kann sich die Angst wie eine Wächterin vorstellen. Wenn sie nicht beachtet wird, muss sie sich wichtiger machen. Dann wird die Angst schier unüberwindbar und blockiert unser Wahrnehmen und auch unsere Bedürfnisse.

Dies drückt sich dann auch durch den reichen Schatz an Verhaltensmustern oder „Überlebensstrategien“ aus. Die bekanntesten sind der Kampf, die Flucht, die Anpassung und die Erstarrung. Es gibt auch noch viele erlernte Botschaften, die uns leiten oder blockieren können.

Um gut zusammenleben zu können, brauchen wir:

  • die Liebe von anderen Menschen
  • Anerkennung, für die Dinge, die wir schaffen
  • eine Orientierung wo und wie es weitergehen soll
  • eine Sicherheit, dass unser innerer und äußerer Raum geschützt und sicher ist
  • einen Sinn in unserem Leben
  • die Autonomie, um so entscheiden zu können, wie wir es für richtig empfinden.

Werden diese Bedürfnisse befriedigt, haben wir allen Grund zur Freude. Wir fühlen uns leicht und zufrieden.


Struktur

In dem Übungsfach Weltblick beginnen wir mit uns selbst und unserem Lebensort. Wo und wie lebe ich? Wie fühle ich mich an diesem Ort? Welche Verbindungen habe ich mit denjenigen, die dort leben? Zum anderen geht es um die vielen anderen Orte, die in unserem Leben eine Rolle spielen. So auch die Schule oder die Fachakademie. Wir geht es mir? Welche Verbindungen suche und finde ich?

In den Bildern, die bei der Übung: „Ich und die Welt“ entstehen, sind es oft Häuser, Wohnungen, Schulräume, Wiesen, Felder, blauer Himmel. Es können auch enge Räume, graue Luft oder leere Umgebungen sichtbar werden.

Alles, was uns umgibt, nennen wir die Struktur. Struktur im A.T.C.C.-Verständnis sind a) Räume, b) die Zeit, c) die Zugehörigkeit, d) die Güter, e) die Macht und f) die Rollen, die wir einnehmen.

Ich beziehe mich hier auf das Projekt Weltblick:

Wir leben und arbeiten in „Räumen“. Das sind Landschaften, Orte, Häuser und auch diese Erde. Wir sind mit ihr verbunden, denn sie gibt uns die Nahrung und die Mittel, die wir zum Leben brauchen.

So beginnt das Projekt. Was sind meine Räume und wie wirken die fremden auf mich?

Wir sind eingebunden in eine bestimmte „Zeit“: Wir beginnen mit unserer Geburt zu leben und wir wissen sicher, dass wir sterben werden. Wir sind endlich! Auf diesem Zeitstrahl gehen wir viele Bindungen ein. Wir sind verbunden mit unseren Eltern oder anderen Erziehungspersonen, geprägt von Freunden und Freundinnen, gehen feste Partnerschaften ein und beenden diese auch wieder. Zeit wird auch verkauft, wenn wir in ein Arbeitsverhältnis treten, verkaufen wir neben unserer Arbeitskraft auch Lebenszeit. Wir stellen sie dem Arbeitgeber zur Verfügung.

Die Zeit rennt im Augenblick gegen uns. Wir haben gar nicht mehr so viel Zeit, um den Verlauf der befürchteten Entwicklungen zu ändern. Es geht in den Spielen und Geschichten darum, zu verstehen, dass Zeit kulturell unterschiedlich wahrgenommen wird.

Wir gehören immer zu etwas oder jemandem. Diese Erfahrung ist tröstlich und zugleich schrecklich. “Gehören” ist hier nicht im Verständnis von Besitz zu verstehen, sondern in dem Sinne, dass es Orte gibt, an denen ich Gehör finde. Ich werde verstanden, finde mich zurecht – alles ist recht vertraut. Ich bin beheimatet! Wir, die wir hier leben, gehören zu Familien, zu einem Ort und sind Bürger*innen dieses Staates. Wir tragen zum Erhalt des Staates bei und dieser sorgt sich um unsere Grundrechte und Bedürfnisse. Wir können daran teilnehmen und ihn so gestalten, wie wir es mit unseren Werten für richtig halten. Es dauert lange, bis man „Gehör“ findet. Dennoch gehören wir dazu.

Die Zugehörigkeit wird im Weltblick-Projekt durch alle Einheiten sichtbar. Es handelt sich oftmals um ein Dilemma, das offenbar wird. Zum Beispiel: Zu was oder wem gehöre ich eigentlich, in der ersten Einheit? oder wo bin ich fremd in den darauffolgenden Übungen?

Diese Welt ist voller Güter, die uns für unser Leben bereitgestellt sind. Vor langer Zeit standen alle diese Güter allen Menschen in gleicher Weise zur Verfügung. Durch gesellschaftliche Entwicklungen entstanden Vorstellungen von Eigentum. Heute sind diese Güter (Wasser, Luft, Erde, Nahrung) bedroht, da sie zerstört, ungenießbar oder im Besitz von wenigen sind. Papst Franziskus bezeichnet diesen Vorgang als „tödliche“ Entwicklung.

Im Projekt geht es auch um die Güterverteilung auf dieser Welt. Wie ungerecht diese ist und wie damit mit Kindern gearbeitet werden kann.

Hier wären wir nun bei der „Macht“ angelangt. Sie ist ein wichtiger Faktor im menschlichen Zusammenleben. Dort, wo Gruppen sind, braucht es Macht. Diese sollte nach unserer Sicht werteorientiert, verantwortet, vertrauensvoll und im Dialog gestaltet sein. Gelingt dies nicht, so entsteht Ohnmacht. Für uns ist Ohnmacht an Unwerte gekoppelt. So wird statt der Wahrheit als Orientierung die Lüge genommen. Dies ist im Zeitalter der Fake-News gut nachzuvollziehen. Ohnmacht arbeitet mit Manipulation statt Vertrauen und Willkür statt Verantwortung. Sie nutzt Zwang und Gewalt zur Durchsetzung. Manche werden sich jetzt denken, dass sie dies unter dem Begriff Macht kennen. Bitte verstehe es als Einladung für einen Perspektivenwechsel . Macht brauchen wir immer, wenn mehrere Menschen zusammen sind. Wird dieses wichtige Strukturelement destruktiv definiert, entsteht nie eine verantwortete und dialogische Form der Macht. Das gilt für den Bereich der Erziehung ebenso. Erziehung ist ein Beziehungsgeschehen, das Macht braucht. Würden wir darauf verzichten, haben unsere Kinder keine Orientierung. Doch diese Macht ist verantwortet, vertrauensvoll, an Werten orientiert und dialogisch. Das ist die Macht der*des Erziehenden!

Im Projekt geht es um die Verantwortung in den vielen Bereichen des Wirkens als Erziehende. Bei der Einheit zur Integration werden Themen und Methoden ausgehandelt, dabei erfahren die Teilnehmenden, wie wichtig es ist, in Verantwortung für das Gelingen zu gehen.

Noch kurz zur Rolle: Erziehende haben eine wichtige Rolle. In unserem Ansatz sprechen wir von zwei unterschiedlichen Arten von Rollen: die formale und die non-formale. Diese unterscheiden sich durch ihre Richtung. Die formale Rolle ist meistens durch einen Arbeitsvertrag geregelt. Dort sind die Verantwortungen beschrieben. Für die Gestaltung unserer formalen Rolle brauchen wir Anerkennung. Die non-formale Rolle gestaltet sich aus unserer personalen und kulturellen Entwicklung heraus. Sie ist uns ganz eigen und auf Beziehung ausgerichtet. Hierbei geht es um die Bedürfnisse, Ängste und Muster. Formal ist zum Beispiel die Erzieherin, non-formal die „große Schwester“. Wenn eine „große Schwester“ immer für die Kleinen sorgen musste und wenig Liebe dafür erhalten hat, kann sie diese Rolle sehr bitter ausfüllen. Aus diesem Grund ist sie zwar sehr verantwortlich im Umgang mit den Kindern, doch liebende Worte oder Handlungen kommen nicht zum Vorschein. Deswegen die Einladung an die Kollegien: schaut euch diese „große Schwester“ einmal an und sorgt dafür, dass sie auch für ihr Handeln Zuneigung erfährt. Damit kann eine wunderbare Kollegin wieder sichtbar werden.

In dem Projekt werden wir als Weltbürger*innen sichtbar. Wir sind verbunden mit dieser Welt. Welche formale Aufgabe hat diese*r Weltbürger*in? Welche non-formalen Themen trage ich mit mir herum?

Regeln:

Zwischen dem Einzelnen und den Vielen, die in einer Struktur leben und wirken, braucht es Regeln. Sie sind „vertragliche“ Vereinbarungen, die den Rahmen und den Umgang entsprechend der Werte garantieren. Regeln brauchen Sanktionen aber keine Strafe, um sie durchzusetzen. Eine Sanktion ist der Hinweis auf Einsicht, eine Konsequenz oder eine Wiedergutmachung. Sanktionen verankern die Werte und schaffen so langsam einen Zugang dazu, wie wichtig es ist, auf andere Menschen zu achten – weil wir auch selbst geachtet werden wollen. Mit Strafen versuchen wir, Menschen zu unterwerfen. Manchmal kann das notwendig sein. So wird jemand, der notorisch andere Menschen schädigt, bestraft. Dass damit auch eine Eskalation der Strafen einhergeht, ist wahrscheinlich nachvollziehbar. Wer strafen will, muss davon ausgehen, dass es möglich ist, den Menschen und seinen Willen zu brechen. Das kann bis zum Tod gehen. Regeln brauchen die Einsicht und die Geduld, dass sich diese entwickelt. Regeln brauchen aber auch die Anerkennung, dass sie wichtig sind. Wenn vor mir jemand geht und seinen Müll in den Wegesrand wirft, werde ich ihn auf die Regeln und die Nutzung des Papierkorbes aufmerksam machen. Dabei bin ich sicherlich aufgeregt und hoffe, dass ich keine Gewalteskalation erlebe, doch sind mir die Regeln an dieser Stelle wichtig und in meiner Rolle als Mit-Mensch und Bürger kann ich hier nicht wegsehen.

Wieso viele Menschen an die Strafe glauben, hat zum einen mit ihrer eigenen Erziehung zu tun und zum anderen mit der Vorstellung, dass durch die Strafe keine Beziehung notwendig wird. Wer bestraft wird, ist schuld! Eigentlich ist in der Erziehung die Strafe oder körperliche Züchtigung nicht mehr möglich. Wenn wir uns aber vorstellen, dass immer mehr erziehende Personen Gefühle nicht zulassen, wird es schwierig. Dann wird mit Schuld und Urteil gearbeitet. Schuld entlastet uns von dem Fühlen! Hier hätten wir einen guten Bezug zum Projekt Weltblick.

Wir brauchen klarere Regeln, um diesen/unseren Planeten zu retten. Wir brauchen eine Vorstellung, wie wir mit der Endlichkeit unserer Ressourcen umgehen. Für die Umsetzung der Menschenrechte brauchen wir einen Zugang zu unserer Macht, um diese umzusetzen. In dem Teil zur Integration kommt diese Frage gut zu tragen. Was machen wir, wenn jemand sich ganz anders verhält, wie wir es möchten?

Manche glauben, dass ausreichend und detaillierte Regeln die Auseinandersetzung verhindern. Leider haben sie sich getäuscht. Die Regeln brauchen einen authentischen Bezug, wenn wir sie einfordern. Ein „das-macht-man-nicht!“ bei einem respektlosen Verhalten, wird von den Kindern heute nicht mehr anerkannt. Dafür gibt es zu viele Widersprüche im Verhalten der Erwachsenen. So sind wir wieder bei der Beziehung, die zu klären wäre.

Kultur

Wie der Titel schon ankündigt sollte es sich um die Welt drehen. Damit ist eine kulturelle Vielfalt schon vorausgesetzt. Kultur dient nach dem A.T.C.C.-Ansatz Rechtfertigungen für das eigene Denken, Fühlen und Handeln. Über Kultur werden Strukturen legitimiert. Wir begründen damit Raum, Zeit oder Macht. Ebenso legitimieren wir die Symbole, mit denen wir unsere Kultur nach außen repräsentieren. Kultur wird ebenfalls von diesen Ebenen beeinflusst. Sprache prägt unser Denken und damit das, was kulturell bedeutend ist oder nicht. Kultur ist dynamisch. Wir verändern laufend unsere Kultur, wenn wir mit anderen Menschen zusammenkommen.

In dem Projekt ist die Kultur das durchdringende Merkmal. In der Handreichung wird immer wieder darauf eingegangen.

Werte:

Werte sind Orientierungen, nach denen wir unser Leben, Handeln und Fühlen ausrichten. Aufgrund von Werten treffen wir Entscheidungen. Werte entstehen aus personalen Bedürfnissen, z.B. Bedürfnis nach Anerkennung à Wert: Ehre. Werte erhalten durch Regeln oder Gesetze einen Rahmen. Auch dies wird später ausführlicher thematisiert. Werte lösen in uns ein ständiges Dilemma aus. Wir streben danach und scheitern immer wieder daran. Z.B. wollen wir alle die Wahrheit sagen oder auch wissen, doch gelingt uns dies nur teilweise. Dieses Annähern und Scheitern macht Werte in einer Welt, die alles sehr exakt und berechenbar möchte, problematisch. Ich vermute, das ist einer der Gründe, wieso es sich viele Menschen mit den Werten so schwer machen.

In dem Projekt finden wir die Werte bei den Märchen. Dort werden die Dilemmata sichtbar und vermitteln auch einen konstruktiven Weg damit umzugehen. Selbstverständlich kulturell verschieden.

Rituale

Rituale sind gemeinsame Handlungen einer Gruppe. Sie verbinden und schaffen eine Zugehörigkeit. Sie klären, wer zur Gruppe gehört oder wer nicht. Wenn ich z.B. den Gruß einer Gruppe kenne, dann ist es leichter, in dieser Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Rituale werden für Situationen des Anfangs und des Endes genutzt. Sie werden zur Krisenbewältigung (Konflikte, Bedrohungen, Unbekanntes) eingesetzt. Rituale sind ebenfalls präventive Handlungen zur Verhinderung von Krisen. Viele kulturelle und religiöse Feste sind Krisenrituale.

In dem Projekt gehen wir über die Spiele auf die Rituale ein. Spiele sind wunderbare Mittel für die Annäherung in einem Unterricht bzw. in einer Projektarbeit.